Interview
„Liebe ist eine Macht, die existiert“
© Hartmann
06.03.2025
aw
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Was war der Anlass, dieses Buch zu schreiben?
Es gab einen Schlüsselmoment nach einem Gottesdienst – da fiel mir auf: Es gibt von Gott im Neuen Testament deutliche Wesensbestimmungen: Gott wird konkret als Geist, Licht und Liebe beschrieben. Die herkömmliche Bestimmung als Vater, Sohn und Heiliger Geist ist sehr personenzentriert und auch sehr „männlich“. Ich versuche mit meinem Buch einen anderen Zugang zu Gott zu eröffnen. Die drei Symbole, die ebenso biblisch begründet sind, haben große Strahlkraft, auch für die spirituelle Praxis.
Geist, Liebe, Licht – was ist am Wichtigsten?
Alle drei sind wichtig. Lichterfahrung ist spannend, denn von Licht leben wir. Geist ist die Grundlage für Bewusstsein. Liebe ist sicherlich die Grundbestimmung. Liebe ist reale Energie – wie ein Strom in der Welt. Welche unfassbare Macht diese Liebe hat, kennt jeder Mensch, der liebt. Es gibt kaum ein anderes Gefühl, außer Schmerz, was einen so beherrschen kann wie die Liebe. Liebe verändert einen. Deswegen ist Liebe für mich im spirituellen Sinne eine Macht, die existiert. Der Ursprung dieses Gefühls ist Gott. Im Tun der Liebe realisiert man das. Das Böse lässt sich meistens als Mangel an Liebe oder die Versperrung vor der Liebe verstehen.
Geist heißt im hebräischen Urtext „Ruach“ – und ist weiblich. Warum betonst du das zu Beginn so stark?
In der Bibel heißt es: „Er schuf sie nach seinem Bilde als Mann und Frau“ – das heißt Gott vereint in sich beide Geschlechter. Gott ist natürlich weder Mann noch Frau, mir ist aber wichtig, das männlich geprägte Gottesbild aufzuweichen, um Gott zugänglicher zu machen. Die Bibel ist viel moderner, als man oft denkt, obwohl die Texte aus einer Zeit stammen, in der die Gesellschaft sehr patriarchalisch war.
Viele Gebete und Segenssprüche sind aber dennoch von männlichen Sprachbildern geprägt.
Das stimmt. Ich vermeide in meinen Gottesdiensten zum Beispiel häufig das Wort „Herr“. Unsere liturgischen Texte sind 2000 Jahre alt – da kann man jetzt nicht alles umschreiben. Aber auch hier gilt: das religiöse Bewusstsein auch durch den Sprachgebrauch weiter öffnen.
Das Thema Nahtoderfahrungen nimmt im Buch viel Raum ein. Wieso?
Fachleute aus Medizin und Neurologie stoßen bei dem Thema immer wieder auf die gleichen Motive: Menschen beschreiben unter anderem Licht und ein allumfassendes Gefühl der Liebe.
Das soll kein Beleg für ein Leben nach dem Tod oder gar Gottes Existenz sein, aber vielleicht eine Vorstellungshilfe. Die Menschen schildern aber auch ein Erleben dessen, was sie anderen angetan haben. Gott kann also als „Richter“ für Gerechtigkeit sorgen und gleichzeitig die Liebe sein.
Dass ein liebender Gott foltert, wie es vielleicht mittelalterliche Höllenvorstellungen zeigen, kann ich mir nicht vorstellen. Gott ist Liebe, und Liebe hat eine reinigende Kraft für das Schlimmste, was wir uns auf Erden angetan haben.
Im Buch gibt es viele Anregungen für die eigene spirituelle Praxis. Wie wichtig sind dir diese kontemplativen Zugänge zu Gott?
Das gehört für mich zum Glauben wesentlich dazu. Zu merken, da ist mehr als mein Alltag, als mein Denken und Handeln – das sind wichtige Transzendenzerfahrungen. Manch einer erfährt dies bei einer Atemmediation, ein anderer vielleicht in den Bergen. Gelegentlich gelingt das auch in unseren Gottesdiensten.
Lesung: Pfarrer Thomas Hartmann liest aus seinem Buch am Dienstag, 18. März, 19.30 Uhr, in der Thalkirchengemeinde Wiesbaden-Sonnenberg (Kreuzbergstraße 9, 65193 Wiesbaden). Es gibt Musik, außerdem werden Übungen aus dem Buch angeleitet. Eintritt frei.
Hintergrund - Buch und Autor: Thomas Hartmann (65) ist seit 25 Jahren Gemeindepfarrer in der Evangelischen Thalkirchengemeinde Wiesbaden-Sonnenberg. Er ist Autor zahlreicher Bücher, unter anderem „Gott im Himmel, das Böse auf Erden? Warum es Krankheit, Leid und Katastrophen gibt“ (2013) und „Jesus und das Jetzt. Deshalb sorgt euch nicht um morgen – der nächste Tag wird für sich selber sorgen!" (2024). "Geist - Liebe – Licht: Gott neu entdecken und erfahren" ist jetzt im Verlag Butzon & Bercker erschienen und ist für 12 Euro überall im Buchhandel erhältlich.
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