Interview
Wie verändert Künstliche Intelligenz unsere Trauer?
© Peter Thomas
13.03.2025
aw
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Frau Peters, wie sind Sie zum Thema Trauer gekommen?
In meiner Ausbildung zur Pfarrerin habe ich bei einer Hospizpfarrerin mitarbeiten dürfen. Damals sind mir viele Menschen in Trauer begegnet. Mich hat das Thema beeindruckt und vor Augen geführt, wie viele Menschen trauern und wie vielfältig Trauer ist: Menschen trauern um einen Verstorbenen, aber auch um einen gesunden Körper, einen verlorenen Arbeitsplatz, zerplatzte Träume und zerbrochene Beziehungen. Seelsorge mit Trauernden ist eine sehr schöne Arbeit. Später habe ich noch eine dreimonatige Studienzeit zum Thema „Moderne Trauerwege“ gemacht.
Wie hat sich Trauer verändert?
Die Trauer selbst hat sich im Kern wahrscheinlich kaum verändert. Trauer ist so alt wie die Menschen selbst. Was sich gewandelt hat: die Art und Weise, wie Menschen ihrer Trauer Ausdruck verleihen. Vieles ist digitaler geworden. Im Internet gibt es Trauerforen, es gibt virtuelle Friedhöfe, digitale Traueranzeigen und Online-Bestattungsunternehmen. Außerdem werden viele Trauerfeiern individueller und bunter: Ich habe erlebt, dass Angehörige Luftballons auf dem Friedhof steigen lassen oder dass keine schwarze Kleidung mehr getragen wird. Mancher Sarg ist von Kindern bemalt. Auch die Musik bei Trauerfeiern hat sich verändert, oft werden Lieblingslieder der Verstorbenen abgespielt.
Künstliche Intelligenz macht es heute möglich, dass wir mit einem Abbild der verstorbenen Person kommunizieren können – etwa über Chats auf dem Handy oder über einen Avatar. Erleichtert das den Abschied?
Da dieses Thema noch neu ist, gibt es wenige Erfahrungen. Ob der Abschied erleichtert wird, bezweifele ich. Nach allem, was ich aus der Begleitung Trauernder sagen kann, ist meine Einschätzung: Es ist besser, sich dem Tod und der Trauer zu stellen und damit auseinanderzusetzen. Nur so kann man nach und nach begreifen: Das Leben ist zu Ende gegangen. Die Trauer will durchlebt werden. Nur so kann der Verlust ein Stück weit verarbeitet werden. Es gibt sehr gute Unterstützungsangebote für Trauernde, etwa über Hospizvereine. In Wiesbaden bietet das Kirchenfenster Schwalbe6 Einzelbegleitung an, aber auch den Austausch mit anderen Trauernden in Gruppen.
Menschen schauen sich ja auch alte Videos an oder hören Sprachnachrichten von Verstorbene ab. Was ist der Unterschied?
Bei all dem weiß man, dass das Vergangenheit ist. Eine KI, die immer noch mit mir chattet, setzt ja quasi das Leben des Verstorbenen fort. Hilft das zu begreifen, dass ein Mensch gestorben ist? Man muss einen Verstorbenen nicht loslassen, aber man sollte sich selbst die Chance geben, dass die Bindung zu dem geliebten Menschen sich verändern darf. Sie ist vielleicht nach einiger Zeit nicht mehr so eng und der Verlust nicht mehr so schmerzlich. In meiner Zeit im Hospiz habe ich erlebt, wie schwerkranke Menschen für ihre Angehörigen etwas vorbereiten: schriftlich, aufgezeichnet als Tondokument oder als Video. Auf diese Art und Weise kann es auch gelingen, einen Verstorbenen in „lebendiger“ Erinnerung zu behalten. Das ist etwas, was ich sehr tröstlich und hilfreich finde. Für den Menschen, der sterben wird. Aber auch für die Zurückbleibenden.
Hinweis: Der Hospiztag "Unsterblich in der Cloud - Mit KI Verstorbenen begegnen?" ist am Samstag, 15. März, 9.30 bis 13.30 Uhr, im Wiesbadener Roncalli-Haus (Friedrichstr. 26, 65183 Wiesbaden) - kostenlos, ohne Anmeldung. Es gibt einen Livestream, der auf der Website des Hospizvereins Auxilium (www.hvwa.de) zu finden ist. Programm: Das Projektteam des Dokumentarfilms „Eternal You – Vom Ende der Endlichkeit“ (2024) führt zunächst mit einem Vortrag an das Thema heran. Anschließend wird Prof. Dr. Jessica Heesen, Leiterin des Forschungsschwerpunkts Medienethik, Technikphilosophie & KI am Ethikzentrum der Universität Tübingen, die Entwicklungen und mögliche Veränderungen unserer Erinnerungs- und Trauerkultur darstellen und einordnen. Mehr zum Programm: https://www.hvwa.de/weitere-angebote/wiesbadener-hospiztag
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